Schlachtfest „anno dazumal“
 
Vinzenz Grau demonstriert imSchifferstadter Heimatmuseumdie Arbeit der „Adventsmetzger“
 
Schifferstadt. Im November hat es angefangen: „Do werd’ die Wutz geschlacht.“ In Schifferstadt gab es früher auf vielen Anwesen noch einen Stall, in dem ein oder zwei Schweine gehalten wurden. Im Winter kamen die „Adventsmetzger“ ins Haus. In der Veranstaltungsreihe „Altes Handwerk“ des Vereins für Heimatpflege hat Vinzenz Grau, Metzger und Wirt des „Deutschen Hauses“, am Sonntag vom Schlachtfest „anno dazumal“ erzählt.

Die originalen Geräte und Werkzeuge eines Hausmetzgers waren im Heimatmuseum aufgebaut: Bolzenschussgerät, Metzgermesser, Fleischwolf und Füllmaschine. Mitgebracht hatten die Sachen die Brüder Gerhard, Kurt und Richard Sattel, Söhne des Hausmetzgers Rudolf Sattel. Der war eigentlich Industriearbeiter und Bauer im Nebenerwerb. Aber er hatte, wie sein Vater, auch das Metzgerhandwerk gelernt. Bis in die 70er-Jahre sei der Vater in Schifferstadter Höfe zum Schlachten gekommen. Im Winter wurde geschlachtet, weil bei kühlen Temperaturen weniger Gefahr besteht, dass Fleisch und Wurst schlecht werden. Vinzenz Grau zeigte das Bolzenschussgerät, mit dem am frühen Morgen das Schwein getötet wurde. Zuschauer berichteten, dass Tiere auch mit dem Vorschlaghammer niedergestreckt wurden. Dann wird die Sau „gestochen“, damit sie ausblutet. Das Blut wird aufgefangen, ständig gerührt, damit es nicht gerinnt. Es kommt später in die Blutwurst.

Was heute leichtes Gruseln auslöst, war früher auch für Kinder nichts Schreckliches: Zuhörer berichteten, sie mussten mithelfen und „das Schwänzel halten“, oder beim Abbrühen und „Enthaaren“ des toten Tiers ein Lied singen: „Sie werd’ rasiert!“ In der Wurstküche kochte es derweil schon im riesigen Kessel. Die erste Wurst, die befüllt wurde, war die Bratwurst. Das nötige Fleisch drehte man mit Muskelkraft durch einen großen Fleischwolf. Vorher wurden die Därme des Schweins entleert, ausgekocht und geputzt. „Des hab’ isch mache misse“, erinnerte sich eine Zuhörerin. Das von den Knochen geschnittene Fleisch für den Schwartenmagen kam in den Magen. Die aufgeblasene Blase hängte man ans Hoftor, sodass Passanten wussten: Hier gibt es Fleisch und Wurst – und natürlich „Metzelsupp’“, die man in blechernen Milchkannen holte.

Zur Frage „Dose oder Darm“ als Behältnis für die Wurst gab es unterschiedliche Ansichten unter den Zuhörern. Die einen wollen ganz frische Wurst aus dem Darm, andere mögen geräucherte oder getrocknete Wurst. Wieder andere schwören auf die Dose, weil sich hier das Aroma unverändert sehr lange halte.

Ein Zuhörer fragte, warum es streng verboten war, sich mit Brot in der Wurstküche aufzuhalten. „Wenn nur ein Krümel in Wurstteig oder Kessel fällt, wird alles sauer“, erklärte Grau. In Schifferstadt sei es üblich gewesen, die Nonnen des Schwesternhauses mit zu versorgen: „Die sahen immer so verhungert aus“, witzelte ein Zuhörer. Wenn kein anderer Termin frei war, schlachtete man auch freitags – eigentlich ein streng fleischloser Tag. Wie Zuhörer erzählten, sei man dann zum Pfarrer gegangen. Der gab Dispens und Segen – und bekam ein paar Würste.

Auch die Frage, ob die Tiere „ahnen“, dass es ihnen an den Kragen gehe, wurde diskutiert. Grau hält das aber für Legende. Wenn die Tiere aufgeregt waren, dann nur, weil sie zum ersten Mal aus dem engen dunklen Schweinestall heraus durften, wo sie ihr ganzes Leben verbracht haben, ist er überzeugt.

Vinzenz Grau wurde 1936 in Regensburg geboren und lernte das Metzger-Handwerk. Nach Gesellen- und Wanderjahren ließ er sich in der Pfalz nieder und betreibt seit 1966 die Wirtschaft „Deutsches Haus“ in der Schifferstadter Bäckergasse. Dort wird jeden Dienstag geschlachtet.

 

 

Textquelle: Die Rheinpfalz, VON GEREON HOFFMANN